Gesamtschuld

 

Rückgriff auf andere Baubeteiligte

 

Liegen Mängel der Planung bzw. Bauausführung vor, stellt sich in der Praxis regelmäßig die Frage, inwiefern hierfür nur der Handwerker bzw. nur der Architekt bzw. beide als Gesamtschuldner haften und inwiefern ein interner Gesamtschuldnerausgleich zwischen Handwerker und Architekt/Ingenieur in Betracht kommt.

 

Dabei unterscheidet man zwischen „Ausführungsfehlern“ und „Planungsfehlern” 

 

1.Ausführungsfehler: 

 

Beruht ein Bauwerksmangel darauf, dass der Handwerker die Werkleistungen mangelhaft ausgeführt und der Architekt/Ingenieur aufgrund eines Bauüberwachungsfehlers diesen Mangel nicht rechtzeitig verhindert bzw. nicht festgestellt hat, so haften der Handwerker und der Architekt gegenüber dem Bauherren beide als 

 

Gesamtschuldner. 

 

Der Bauherr kann also frei wählen, welchen von beiden er in Anspruch nimmt. Jeder muss auf den vollen Schaden haften. 

 

 

Beispiel: 

 

Handwerker H hat die Abdichtung des Kellers nicht fachgerecht ausgeführt. Architekt A hat die Bauausführung nicht ordnungsgemäß überwacht und die Mängel nicht vermieden bzw. nicht festgestellt. 

 

Zur Beseitigung der vorhandenen Mängel ist es erforderlich, dass das Gebäude insgesamt wieder freigelegt und die Abdichtung nachgebessert bzw. erneuert wird. Hierfür sind insgesamt Kosten in Höhe von 100.000,00 Euro notwendig und erforderlich. 

 

In diesem Falle kann der Bauherr den Architekten und den Handwerker gemeinsam als Gesamtschuldner verklagen und hat jedem gegenüber einen Anspruch auf 100.000,00 Euro. Werden beide als Gesamtschuldner verurteilt 100.000,00 Euro an den Auftraggeber zu zahlen, kann sich der Bauherr aussuchen, von wem er diesen Betrag gezahlt haben will. 

 

 

Im

 

Innenverhältnis 

 

zwischen dem bauüberwachenden Architekten und den ausführenden Handwerker haftet jedoch der ausführende Handwerker in der Regel allein. Hat also der Bauherr gegenüber dem Architekten die Schäden vollumfänglich geltend gemacht und eine Zahlung erhalten, kann im Innenverhältnis der Architekt von dem Handwerker die Erstattung der verauslagten Beträge verlangen. 

 

 

Beispiel: 

 

Hat im vorherigen Ausgangsfalle der Bauherr den Architekten auf Zahlung von 100.000,00 Euro für die mangelhafte Abdichtung erfolgreich in Anspruch genommen und von diesem bzw. dessen Versicherung den betrag erhalten, kann der Architekt gegenüber dem Bauunternehmer, der die mangelhafte Abdichtung ausgeführt hat, Erstattung der verauslagten 100.000,00 Euro verlangen. Ist der Bauunternehmer nicht zahlungsfähig und insolvent, würde damit der Architekt das wirtschaftliche Risiko der fehlenden Zahlungsfähigkeit zu tragen haben. 

 

Im Falle eines Ausführungsfehlers des Handwerkers und Bauüberwachungsfehlers des Architekten, haften daher im Außenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber der Architekt und der Handwerker jeweils als Gesamtschuldner zu 100 %, während im Innenverhältnis zwischen dem Architekten/Ingenieur und dem Handwerker der Handwerker zu 100 % zu haften hat. 

 

 

2. Planungsfehler: 

 

Sofern der Mangel auf einen Planungsfehler des Architekten zurückzuführen ist, ist die Sach- und Rechtslage anders, als beim „Ausführungsfehler”. Der Bauherr muss sich nämlich das Verschulden seines Architekten/Ingenieur, der fehlerhafte Pläne vorgelegt hatte, im Rechtsverhältnis gegenüber dem ausführenden Unternehmer anspruchsmindernd anrechnen lassen. 

 

 

Beispiel: 

 

Architekt A erstellt eine fehlerhafte Ausführungsplanung, die Handwerker H zur Bauausführung vorgelegt wird. Für Handwerker H ist der Planungsfehler - trotz entsprechender Fachkenntnisse - nicht erkennbar. In diesem Falle haftet gegenüber dem Bauherren ausschließlich der Architekt, der die fehlerhafte Planung erstellt hat. Der Bauunternehmer ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet. 

 

Beispiel: 

 

War im vorherigen Ausgangsfalle der Planungsfehler für den Bauunternehmer erkennbar, so trifft diesen ein Mitverschulden. Der Bauunternehmer hätte nämlich konkrete Bedenken anmelden müssen bezüglich der mangelhaften Planung und damit mangelhaften Ausführung. 

 

Gegenüber dem Bauherren haftet in diesem Falle der fehlerhaft planende Architekt/Ingenieur zu 100 %. Der Handwerker haftet anteilig mit einer Quote, wobei es hier auf den jeweiligen Einzelfall und den Grad des Verschuldens ankommt. 

 

Beispiel: 

 

Hat in dem zuletzt dargelegten Falle der Handwerker den Mangel der Planung festgestellt und ausdrücklich und umfassend Bedenken gegenüber dem Bauherren angemeldet und hat sich der Bauherr diesen angemeldeten Bedenken verschlossen und auf eine Ausführung - entsprechend der mangelhaften Planung des Architekten/Ingenieur - bestanden, wäre der Handwerker von der Haftung befreit und es würde ausschließlich der mangelhaft planende Architekt/Ingenieur haften. 

 

 

3. Haftungsverhältnis bauleitender Architekt/Tragwerksplaner: 

 

Sofern ein Tragwerksplaner im Auftrage des Bauherren tätig geworden ist und eine Statik erstellt und vorgelegt hat, braucht der Architekt/Ingenieur im Allgemeinen nicht zu überprüfen, ob die statische Berechnung des Tragwerksplaners auch zutreffend und mangelfrei ist, da sich der Architekt/Ingenieur grundsätzlich auf die spezielleren Fachkenntnis des Tragwerksplaners verlassen kann und dessen Berechnungen im Einzelnen nicht nachzuprüfen braucht. Vom Architekten/Ingenieur sind die zur Überprüfung einer statischen Berechnung erforderlichen Spezialkenntnisse nämlich grundsätzlich auch gar nicht zu erwarten. Er ist deshalb hierzu dem Bauherren gegenüber grundsätzlich nicht verpflichtet. 

 

Lediglich bei groben oder offensichtlichen, für ihn erkennbaren Mängeln der Statik, haftet jedoch der Architekt/Ingenieur als Gesamtschuldner neben dem Tragwerksplaner, wenn er diese Fehler der Tragwerksplanung nicht festgestellt und den Bauherrn hierauf nicht hingewiesen hat.