Ungeplanter Innenbereich (§ 34 BauGB):

 

Sofern ein Bebauungsplan nicht existiert, kann ein Bauvorhaben gegebenenfalls gem. § 34 BauGB zulässig sein, wenn sich das Grundstück in einem sogenannten „unbeplanten Innenbereich“ findet.

 

Damit ein solcher „ungeplanter Innenbereich“ gegeben ist, muss das Bauvorhaben „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile" liegen.

 

Erforderlich ist also ein entsprechender

 

Bebauungszusammenhang.

 

Maßgeblich ist, ob eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung besteht.

 

Der Begriff Bebauung erfordert bauliche Anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Maß haben, so dass sie ein Gebiet prägen können, also maßstabsbildende Kräfte aufweisen.

 

Für die Frage auf, ob ein Bebauungszusammenhang vorliegt, kommt es also auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an.

 

Darüber hinaus muss die Bebauung einen gewissen „Zusammenhang“ aufweisen, wobei auf die äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse abzustellen ist.

 

Wo im einzelnen die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist aufgrund einer Bewertung des konkreten Falls zu entscheiden. Zu den maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten gehören auch topographische Verhältnisse, wie Geländehindernisse, Erhebungen oder auch Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse und dergleichen). Bei der Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs durch eine Straße ist für die Beurteilung maßgeblich, ob die aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt oder nicht.

 

Abgrenzungsschwierigkeiten treten vor allem auf, wenn die aufeinanderfolgenden baulichen Anlagen unterbrochen sind, etwa durch Baulücken oder größere freie Flächen. Auch in diesen Fällen ist ausschlaggebend, inwiefern die aufeinanderfolgende Bebauung noch den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt oder nicht.

 

Sofern ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, muss dieser Bebauungszusammenhang einem Ortsteil in der Gemeinde angehören. Ortsteil ist dabei jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten eine gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.

 

Das „gewisse Gewicht“ ist nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten im Gebiet der jeweiligen Gemeinde zu beurteilen.

 

Welche Zahl an Bauten erforderlich ist, um das Vorliegen eines Ortsteils bejahen zu können, lässt sich nicht generell festlegen. Sind in der jeweiligen Gegend entsprechende Siedlungsformen typisch, kann im Einzelfall bereits ein Bestand von nur wenigen Häusern ausreichen. So ist in der Rechtsprechung beispielsweise im Falle von nur 5 Wohnhäusern und 5 landwirtschaftlichen Nebengebäuden ein Ortsteil angenommen worden, während in einem anderen Falle bei nur 4 Wohngebäuden das erforderliche Gewicht für einen Ortsteil nicht angenommen worden ist.

 

Es ist also stets eine Entscheidung des Einzelfalls.

 

Sofern ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 BauGB gegeben ist, ist ein Bauvorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

 

Es kommt also entscheidend darauf an, welche Art der baulichen Nutzung und welches Maß der baulichen Nutzung in der näheren Umgebung vorherrschend ist. Maßstab für die Zulässigkeit eines Vorhabens ist also die Eigenart der näheren Umgebung.

 

Als „nähere Umgebung“ sind zunächst, aber nicht nur, die unmittelbaren Nachbargrundstücke von Bedeutung. Die nähere Umgebung muss im Übrigen insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder beeinflusst.

 

Durch Vergleich der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung muss dann ermittelt werden, welche Art der baulichen Nutzung dort vorherrscht bzw. welches Maß der baulichen Nutzung gegeben ist, um anschließend prüfen zu können, inwiefern sich das geplante Bauvorhaben in diesen Rahmen „einfügt“.

 

Zu prüfen ist nämlich, ob sich ein Bauvorhaben in den entsprechenden Rahmen einfügt und damit baurechtlich zulässig ist. Hierfür ist auf einer ersten Stufe zu prüfen, ob sich ein Vorhaben in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält. Er fügt sich dann in der Regel in seine Umgebung ein.

 

Der von der Umgebung vorgegebene Rahmen ist dabei umso enger, je einheitlicher das Grundstück in bodenrechtlicher Hinsicht bezüglich der Umgebung geprägt ist.

 

Beispiel:

Sind in der näheren Umgebung ausschließlich 1-geschossige Einfamilienhäuser in offener Bauweise vorhanden, fügt sich auch ausschließlich ein einstöckiges Einfamilienhaus in offener Bauweise ein.

 

Beispiel:

Sind in der Umgebung Wohngebäude, Gewerbebetriebe ohne erhebliche Nachteile für die Umgebung, aber auch Gewerbebetriebe mit entsprechenden Emissionsbelastungen vorhanden, wäre die Bandbreite hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, die sich einfügen würde, entsprechend groß.

 

Beispiel:

Sind in der maßgeblichen Umgebung die Grundstücke mindestens zu 1/4, höchstens aber zur 1/2 überbaut, so reicht beim Maß der baulichen Nutzung der Rahmen von einer Grundflächenzahl von 0,25 bis 0,5.

 

Beispiel:

Haben die Häuser in der maßgeblichen Umgebung zwischen 2-4 Vollgeschossen, ergäbe sich auch für das geplante Bauvorhaben ein Rahmen von 2-4 Vollgeschossen.

 

Beispiel:

Liegen die tatsächlichen bebauten Grundstücksflächen zwischen 5 m bis 12 m von der Straße entfernt, könnte auch das neu zu genehmigende Bauvorhaben zwischen 5-12 m bezüglich der Baufläche von der Straße entfernt liegen.

 

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (BauNVO), beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art alleine danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Das Baugebiet ist also dahingehend zu analysieren, inwiefern es einem typischen Baugebiet der BauNVO entspricht.

 

Bezüglich des Maßes der baulichen Anlage kommt es in der Regel auf das äußere Einfügen und die absoluten Maße entscheidend an.  Entscheidend ist, ob die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung sich einfügt oder nicht.

 

Bezugsgrößen können dabei sein:

  • Grundfläche
  • Geschossfläche
  • Geschosszahl
  • Höhe

Maßgeblich ist aber eine Gesamtbetrachtung des Objektes.

 

Beispiel:

In der zu berücksichtigenden Umgebung befindet sich eine Halle (einstöckig) mit einer Grundfläche von 1.000 m². Ebenfalls in der Umgebung ist ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 4 Etagen vorhanden, jedoch mit nur einer Grundfläche von 200 m². In diesem Falle wäre es nicht möglich die Grundfläche der Halle mit 1.000 m² zu kombinieren mit den 4 Etagen des Mehrfamilienhauses und insgesamt ein Objekt zu errichten mit einer Grundfläche von 1.000 m² und 4 Etagen, mithin einer Gesamtfläche von 4.000 m². Dies würde sich insgesamt nicht einfügen.

 

Beispiel:

Gegebenenfalls könnte sich im vorherigen Beispielsfalle z.B. ein Objekt einfügen mit 2 Etagen und einer Grundfläche von 500 m².

 

Die Gemeinde kann durch Satzung gem. § 34 BauGB Klarstellungen vornehmen bezüglich der Grenzen der im Zusammenhang bebauten Ortsteile. In der Praxis führt es nämlich häufig zu Schwierigkeiten abzugrenzen, wo der Bebauungszusammenhang beginnt bzw. endet. Durch eine solche „Klarstellungssatzung" kann die Gemeinde somit die Grenzen für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile festlegen.

 

Die Gemeinde könnte gem. § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB auch bebaute Bereiche im Außenbereich, bei denen eigentlich kein unbeplanten Innenbereich gegeben ist, als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind. Hierbei spricht man von einer sog. „Entwicklungssatzung“. Durch eine solche Entwicklungssatzung werden Außenbereichsflächen konstitutiv zum Innenbereich erklärt. Sind entsprechende Siedlungsansätze in Form einer Splittersiedlung/Streusiedlung vorhanden, kann die Gemeinde also diesen Bereich zum "Innenbereich" durch Satzung erklären und damit eine entsprechende Entwicklung dieses Gebietes ermöglichen.

 

Schließlich ist auch eine sogenannte „Ergänzungssatzung" gem. § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB möglich. Danach kann die Gemeinde durch Satzung einzelne Außenbereichsflächen städtebaulich angemessen in vorhandene Ortsteile nach § 34 BauGB einbeziehen. Voraussetzung ist lediglich, dass die einzubeziehenden Außenbereichsflächen an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil angrenzen.