Mängelansprüche vor der Abnahme:

 

VOB-Vertrag:

 

Anders als im BGB, enthält die VOB/B mit § 4 Abs. 7 VOB/B eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass Leistungen schon während der Ausführung - also vor der Abnahme - als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden: 

 

 

§ 4 Abs. 7 VOB/B:

 

Leistungen, die schon während der Ausführung als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt werden, hat der Auftragnehmer auf eigene Kosten durch mangelfreie zu ersetzen. Hat der Auftragnehmer den Mangel oder die Vertragswidrigkeit zu vertreten, so hat er auch den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehe (§ 8 Abs. 3).

 

 

Voraussetzungen:

 

Mangel der Werkleistung:

 

Hat der Auftragnehmer eine mangelhafte Werkleistung erbracht und erkennt dies der Auftraggeber schon vor der Abnahme, so kann er zunächst den Auftragnehmer auffordern, diese mangelhafte Werkleistung nachzubessern. 

 

 

Beispiel:

Bauherr B beauftragt Fliesen F sein Badezimmer mit neuen Fliesen in der Farbe anthrazit des Herstellers XYZ neu zu fliesen und zu verfugen. Nachdem Fliesenleger F mit den Arbeiten begonnen hat, stellt Bauherr B fest, dass Fliesenleger F eine abweichende Fliese eines anderen Modells mit einer abweichenden Farbe verlegt hat. Daraufhin kann Bauherr B Fliesenleger F auffordern, diese nicht vertragsgemäßen Fliesen zu entfernen und die vertraglich vereinbarten Fliesen zu liefern und einzubauen. 

 

 

Fristsetzung mit Androhung der Entziehung des Auftrages:

 

Beabsichtigt der Auftraggeber die Arbeiten nach Fristablauf durch eine Drittfirma beseitigen zu lassen, so genügt es keinesfalls, wenn der Auftraggeber – wie in der Praxis häufig vorgenommen – lediglich eine Frist zur Mängelbeseitigung vor der Abnahme setzt und nach Ablauf der Frist eine Drittfirma mit der Mängelbeseitigung auf Kosten des Auftragnehmers beauftragt. Nach der Systematik des § 4 Abs. 7 VOB/B muss hierfür der Auftragnehmer nicht nur eine Frist zur Beseitigung des erkannten Mangels setzen, sondern gleichzeitig auch gegenüber dem Auftragnehmer ausdrücklich für den Fall des erfolglosen Fristablaufes die Entziehung des Auftrages (§ 8 Abs. 3 VOB/B) androhen.

 

 

§ 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B:

 

Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung des Mangels nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde (§ 8 Absatz 3).

 

 

§ 8 Abs. 3 VOB/B:

 

Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn in den Fällen des § 4 Absätze 7 und 8 Nummer 1 und des § 5 Absatz 4 die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen ist.

 

 

Hat der Auftragnehmer dann – trotz Fristsetzung und Androhung der Auftragsentziehung – die Werkleistung nicht vertragsgemäß und fachgerecht nachgebessert, muss zunächst der Auftraggeber den Auftrag auch tatsächlich schriftlich kündigen und damit entziehen. Erst wenn der Auftraggeber schriftlich nach Fristablauf den Auftrag entzogen und gekündigt hat, kann er eine Drittfirma mit der Mängelbeseitigung beauftragen und bezüglich der hierbei entstehenden Kosten Schadensersatz gegenüber dem Auftragnehmer geltend machen. Versäumt der Auftraggeber die vorherige schriftliche Entziehung/Kündigung des Auftrages, sind die angefallenen Kosten des Drittunternehmers nicht als Schadensersatz erstattungsfähig. 

 

 

Beispiel:

Fliesenleger F wurde von Bauherr B unter Fristsetzung aufgefordert, die Fliesen mit der falschen Farbe wieder zu entfernen und Fliesen mit der zutreffenden Farbe zu liefern und einzubauen. Gleichzeitig droht er ihm die Entziehung des Auftrages für den Fall an, dass nicht innerhalb der gesetzten Frist die Nachbesserung vollständig und fachgerecht ausgeführt wird. Nach Ablauf der Frist beauftragt B den Fliesenleger X die falschen Fliesen wieder herauszureißen und fachgerecht die gewünschten Fliesen einzubauen. Die hierfür entstehenden Kosten in Höhe von 10.000 EUR macht B gegenüber F als Schadensersatz geltend. Da B im vorliegenden Falle nicht den Auftrag gegenüber F entzogen und gekündigt hat, bevor er den Drittunternehmer X beauftragt hat, kann er gegenüber F keinen Schadensersatz für die Nachbesserungskosten des X geltend machen. 

 

 

Sofern der Auftraggeber die Kündigung des Vertrages vor der Beauftragung eines Drittunternehmers vermeiden will, könnte er auch alternativ – insbesondere wenn das Bauvorhaben kurz vor dem Abschluss steht – die Abnahme der erbrachten Werkleistungen unter ausdrücklichem Vorbehalt der festgestellten Mängel erklären und anschließend – nach Fristsetzung zur Mängelbeseitigung – eine Drittfirma mit der Nachbesserung auf Kosten des Auftragnehmers beauftragen. 

 

In diesem Falle könnte der Auftraggeber nach Ablauf der Frist – ohne Kündigung/Entziehung des Auftrages – eine Drittfirma mit der Mängelbeseitigung beauftragen und könnte die hierdurch anfallenden Kosten gegenüber dem Auftragnehmer als Schadensersatz geltend machen. 

 

 

Form der Kündigung:

 

Bezüglich der Kündigung/Entziehung des Auftrages ist zu beachten, dass der Auftrag nicht automatisch mit Fristablauf als gekündigt bzw. entzogen gilt. Vielmehr ist eine ausdrückliche schriftliche Kündigung notwendig und erforderlich. 

 

Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen 

 

 

§ 8 Abs. 6 VOB/B:

 

Die Kündigung ist schriftlich zu erklären.

 

 

Entbehrlichkeit einer Fristsetzung:

 

Lediglich ausnahmsweise ist eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung dann entbehrlich, wenn 

  • die Beseitigung des Mangels unmöglich ist,
  • vom Auftragnehmer ernsthaft und endgültig verweigert worden ist,
  • weitere Nachbesserungen für den Auftraggeber unzumutbar sind.

 

Allerdings ist für die Auftraggeberseite große Vorsicht geboten sich auf diese Ausnahmetatbestände und die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zu berufen. An das Vorliegen dieser Ausnahmetatbestände werden nämlich ausgesprochen hohe Anforderungen gestellt. Nur wenn zweifelsfrei und nachweisbar die Werkleistung tatsächlich unmöglich ist bzw. der Auftragnehmer die Erbringung von Nachbesserungsarbeiten nachweisbar ernsthaft und endgültig verweigert hat, kann eine Fristsetzung ausnahmsweise unterbleiben. Sicherheitshalber sollte daher stets eine Frist gesetzt werden, um dieses Risiko zu umgehen. 

 

 

Unmöglichkeit der Nachbesserung:

 

Insbesondere bei der Frage der „Unmöglichkeit“ der Nachbesserung wird nur in extremen Ausnahmefällen tatsächlich von einer Unmöglichkeit auszugehen sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wohl nahezu alle baulichen Arbeiten nachgebessert werden können und es in der Regel lediglich eine Frage der hierfür anfallenden Kosten sein dürfte. Selbst wenn beispielsweise im Bereich der Gründung unterhalb des Bauvorhabens ein Mangel vorhanden ist, könnte dieser ggf. durch vollständigen Rückbau und Neuaufbau des Objektes nachgebessert und beseitigt werden. Insofern wäre auch die Mängelbeseitigung eines solch extremen Mangels theoretisch nicht „unmöglich“. 

 

 

Ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung:

 

Praxisrelevanter ist eher der Fall, dass der Auftragnehmer die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Entscheidend ist, dass der Auftragnehmer deutlich gemacht hat, dass er ernsthaft und endgültig nicht mehr willens und bereit ist, eine entsprechende Nachbesserung vorzunehmen, so dass eine Fristsetzung lediglich als „reine Förmelei“ zu qualifizieren wäre. 

 

Beispiel:

Bauherr B fordert Fliesenleger F unter Fristsetzung und Androhung der Auftragsentziehung zur Nachbesserung nicht fachgerecht ausgeführter Fliesenarbeiten auf. Fliesenleger F antwortet schriftlich und erklärt, dass die von ihm erbrachten Werkleistungen vollständig vertragsgemäß und mangelfrei seien und er deshalb jegliche Gewährleistung entschieden ablehnen würde. In diesem Falle hätte Fliesenleger F beweisbar die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert, so dass eine weitere Fristsetzung nicht mehr notwendig und erforderlich wäre. 

 

 

Nachbesserung für Auftraggeber unzumutbar:

 

Eine Fristsetzung auch dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn es dem Auftraggeber nicht mehr „zumutbar“ ist, am Vertrag mit dem Auftragnehmer festzuhalten, weil der Auftragnehmer durch seine mangelhafte Arbeit den Vertragszweck gefährdet und das Vertrauen in eine vertragsgerechte Arbeit nachhaltig erschüttert hat. Aber auch hier sind ausgesprochen hohe Anforderungen daran zu stellen, dass die Fortsetzung des Vertrages tatsächlich nicht mehr „zumutbar“ ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei handwerklich ausgeführten Arbeiten Fehler und Mängel kaum auszuschließen sind und daher das bloße Vorliegen von Mängeln nicht ausreichend sein kann eine Unzumutbarkeit zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, dass derart gravierende und massive Mängel von dem Auftragnehmer verursacht wurden, dass dadurch das Vertrauen in eine vertragsgerechte Arbeit nachhaltig erschüttert oder zerstört wurde. 

 

 

Beispiel:

Rohbauer R wird mit der Errichtung eines Rohbaus durch Bauherr B beauftragt. Im Rahmen der Rohbauarbeiten missachtet Rohbauer R die Vorgaben des Tragwerksplaners massiv und baut deutlich geringere Stahlmengen in die Decken ein, als von dem Tragwerksplaner vorgegeben. Da durch solche Abweichungen die erhebliche Gefahr massiver Schäden – auch für Leib, Leben und Gesundheit – besteht, könnte hier ggf. von einem zerstörten Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Rohbauer R ausgegangen werden und ggf. könnte hier eine Frist zur Nachbesserung ausnahmsweise entbehrlich sein. 

 

 

Praxistipp:

Da an die „Unzumutbarkeit“ ausgesprochen hohe Anforderungen in der Praxis und Rechtsprechung gestellt werden, empfiehlt es sich auch hier grundsätzlich – sofern nicht ausnahmsweise tatsächlich wirklich unzumutbar - eine letzte Frist zur Nachbesserung vorsorglich zu setzen. 

 

 

BGB-Vertrag:

 

Beim BGB-Werkvertrag existiert keine den §§ 4 Abs. 7, 5. Abs. 4 VOB/B vergleichbare Regelung für Mängel vor der Abnahme.

 

Mängelansprüche vor der Abnahme bestehen beim BGB Vertrag nicht. Vielmehr besteht nur der Erfüllungsanspruch des Bauherrn. Vor der Abnahne mus daher der Bauherr unter Fristsetzung und Androhung der Vertragskündigung zur Mängelbeseitigung und damit vertragsgemäßen Erfüllung auffordern.

 

Bessert der Auftragnehmer dann nicht fristgerecht nach, kann und muss der Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen und kann erst anschließend eine Drittfirma mit der Nachbesserung auf Kosten des Auftragnehmers beauftragen.

 

Alternativ kann der Auftragnehmer die Werkleistung auch unter Vorbehalt der Mängel abnehmen, bzgl. der Mängel eine weitere Frist zur Mängelbeseitigung setzen und nach erfolglosem Fristablauf Gewährleistung geltend machen.

 

Schließlich bestehen beim BGB-Vertrag auch ohne vorherige Abnahme Gewährleistungsansprüche, sofern ein sog. "Abrechnungsverhältnis" vorliegt, also insbesondere der Auftraggeber erklärt hat unter keinen Umständen mehr mit dem Auftragnehmer zusammenarbeiten zu wollen und keine Leistungen von ihm mehr entgegennehmen zu wollen.