Inhaltskontrolle der VOB/B:

 

Da es sich – wie ausgeführt- bei der VOB/B um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, sind auch die allgemeinen gesetzlichen Regelungen für allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) anwendbar. Damit unterfallen die Regelungen der VOB/B auch den Regelungen zur Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 – 309 BGB. 

 

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine Inhaltskontrolle – wenn überhaupt – zu Gunsten des Vertragspartners des Verwenders vorgenommen wird. Durch diese Inhaltskontrolle soll nämlich ausschließlich der Vertragspartner des Verwenders und keinesfalls der Verwender selbst vor unwirksamen und unangemessenen Klauseln geschützt werden. 

 

 

Verwender der VOB/B:

 

Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen ist derjenige, der die Bedingungen durch einseitiges Verlangen in den Vertrag einbeziehen will oder sie sich aus sonstigen Gründen als von ihm gestellt zurechnen lassen muss. In der Regel ist derjenige, der die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag anbietet, regelmäßig der „Verwender“.

Beispiel:

Handwerker H unterbreitet Bauherr B ein schriftliches Angebot zur Erneuerung der Elektroinstallation im Privathaus von Bauherr B. In diesem schriftlichen Angebot führt der Handwerker aus: „Es gilt die VOB/B in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung“. Damit hat der Handwerker H die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag vorgegeben und angeboten und ist damit „Verwender“ der VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingungen.


Beispiel:

Bauherr B verschickt an mehrere Handwerker eine Ausschreibung zur Erneuerung seiner Dacheindeckung. In den Ausschreibungsunterlagen ist jeweils die Geltung der VOB/B vorgegeben. Wenn anschließend Dachdecker D das Leistungsverzeichnis ausfüllt und zurückschickt, dann hat der Auftraggeber (Bauherr B) die Einbeziehung der VOB/B vorgegeben und angeboten, so dass Bauherr B in diesem Falle der „Verwender“ der VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingungen ist.


Wollen beide Parteien unabhängig voneinander, dass die VOB/B Bestandteil des Bauvertrages wird, dann ist keiner der Vertragsparteien „Verwender“ und es liegen bereits keine allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. In diesem Falle würde eine Inhaltskontrolle mangels allgemeiner Geschäftsbedingungen ausscheiden, denn es fehlt an dem erforderlichen „Verwender“ für das Vorliegen von allgemeinen Geschäftsbedingungen. 

 

Zu beachten ist jedoch die Schutzvorschrift zu Gunsten der Verbraucher, wonach allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB). 

 

 

§ 310 Abs. 3 BGB:

 

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung: 

 

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;

 

...

Beispiel:

Bauunternehmer B und Bauherr X schließen einen Bauvertrag, in dem die VOB/B als anwendbar ausgewiesen wird. Sofern unklar ist, wer die VOB/B vorgeschlagen und einbezogen hat und damit „Verwender“ ist, kommt dem privaten Bauherrn als Verbraucher § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB zu Gute, wonach gerade vermutet wird, dass der Bauunternehmer als Unternehmer die VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hat. Im Zweifel ist danach der Unternehmer „Verwender“ der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Will er diese gesetzliche Vermutung widerlegen, müsste er im Bestreitensfalle darlegen und beweisen, dass der Verbraucher auf die Einbeziehung der VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingungen bestanden hat und damit der Verbraucher als „Verwender“ der allgemeinen Geschäftsbedingungen gilt. 


Im Rahmen der Inhaltskontrolle kommt es – wie ausgeführt – darauf an, wer „Verwender“ der allgemeinen Geschäftsbedingungen ist. Nur der andere Vertragspartner kann sich gegenüber dem Verwender auf die Inhaltskontrolle der §§ 307 bis 309 BGB berufen. Der Verwender selbst kann sich demgegenüber nicht auf die Inhaltskontrolle und die Tatsache berufen, dass ggf. ungünstige Klauseln in der VOB/B unwirksam sind. Auch ungünstige Regelungen, selbst wenn sie den Verwender unangemessen benachteiligen würden, bleiben zum Nachteil des Verwenders wirksam und anwendbar. 

 

 

Einbeziehung der VOB/B als „Ganzes“:

 

Eine Inhaltskontrolle hat - ohne jede Einschränkung – immer dann stattfindet, wenn die VOB/B gegenüber einem Verbraucher verwendet wird. Lediglich dann, wenn die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Änderung insgesamt gegenüber einem Unternehmer einbezogen wird, findet eine Inhaltskontrolle nicht statt (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). 

 

§ 310 Abs. 1 BGB:

 

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung. 

 

 

Diese Ausnahme von der Inhaltskontrolle gilt nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung jedoch nur dann, wenn die VOB/B in der „jeweils gültigen Fassung“ vereinbart worden ist

Beispiel:

Generalunternehmer G gibt gegenüber Dachdecker D im Rahmen des Bauvertrages die Geltung der VOB/B in der Fassung von 2002 bei einem Vertragsschluss im Jahre 2020 verbindlich vor, wobei inhaltliche Änderungen der VOB/B 2002 nicht vorgenommen werden. In diesem Falle findet eine vollständige Inhaltskontrolle zu Gunsten von Dachdecker D statt, weil nicht die gültige Fassung der VOB/B vereinbart wurde. 


Weitere Voraussetzung ist, dass die jeweils gültige Fassung der VOB/B „ohne inhaltliche Abweichung insgesamt einbezogen wird“. Die VOB/B ist dann nicht „als Ganzes“ insgesamt in den Vertrag einbezogen, wenn der Vertrag irgendeine inhaltliche Abweichung von den Regelungen der VOB/B vorsieht. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um eine gewichtige oder unbedeutende Abweichung handelt. Es ist auch unerheblich, ob möglicherweise die nachteiligen Abweichungen innerhalb der VOB/B durch anderweitige möglicherweise vorteilhafte Abweichungen wieder „kompensiert“ oder „ausgeglichen“ werden.

Beispiel:

Generalunternehmer G bezieht in den Vertrag die gültige VOB/B ein, nimmt jedoch gegenüber den Regelungen der VOB/B einige Änderungen vor. In diesem Falle wurde die VOB/B nicht „als Ganzes“ ohne inhaltliche Änderungen einbezogen, so dass eine Inhaltskontrolle auch gegenüber einem Unternehmer eröffnet ist. 


Beispiel:

Generalunternehmer G sieht in seinem Bauvertrag vor, dass die VOB/B lediglich bezüglich der Gewährleistung gelten soll. In diesem Falle ist von den Regelungen der VOB/B lediglich § 13 VOB/B in den Vertrag einbezogen worden, so dass die VOB/B nicht „als Ganzes“ ohne inhaltliche Änderungen einbezogen wurde. Auch hier unterliegt die entsprechende Regelung (§ 13 VOB/B) einer Inhaltskontrolle. 


Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass die VOB/B immer dann einer vollständigen Inhaltskontrolle zu unterziehen ist, wenn diese gegenüber einem Verbraucher in den Vertrag einbezogen wird. 

Wird die VOB/B gegenüber einem Unternehmer in den Vertrag einbezogen, dann findet eine Inhaltskontrolle dann nichtstatt, wenn die VOB/B „als Ganzes“ ohne jegliche inhaltliche Änderung in den Vertrag einbezogen wird. Sofern inhaltliche Änderungen vorgenommen werden, findet auch gegenüber einem Unternehmer eine vollständige Inhaltskontrolle statt. 

 

 

Rechtsfolgen einer Unwirksamkeit:

 

Sofern eine Regelung der Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB nicht Stand hält, ist die Klausel insgesamt unwirksam. Eine sogenannte „geltungserhaltende Reduktion“ kommt nicht in Betracht. 

 

Anstelle der unwirksamen Regelung gilt dann die sich aus dem Gesetz ergebende Regelung. 

Beispiel:

Wird die VOB/B gegenüber einem Verbraucher in den Vertrag einbezogen, so ist die Verjährungsregelung des § 13 VOB/B (4 Jahre bei Bauwerken) unwirksam und hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Damit ist diese Regelung unwirksam und stattdessen gilt die gesetzliche Regelung, wonach die Gewährleistungsfrist 5 Jahre beträgt (§ 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB).