Beteiligung des Nachbarn:

 

Will der Nachbar gegen die erteilte Baugenehmigung vorgehen, muss er ebenfalls innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe der Baugenehmigung Widerspruch einlegen.

 

Diese Frist zur Einlegung eines Widerspruches für den Nachbarn beginnt mit dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn mit einer entsprechend gesetzmäßigen Rechtsbehelfsbelehrung (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

 

Die Zustellung der Baugenehmigung an den Bauherren löst für den Nachbarn diese Widerspruchsfrist aber noch nicht aus.

 

Erst wenn die Baugenehmigung dem Nachbarn selbst bekannt gemacht worden ist mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung, beginnt dessen Widerspruchsfrist.

 

Ist die Baugenehmigung dem Nachbarn nicht entsprechend förmlich bekannt gemacht worden, beginnt grundsätzlich überhaupt keine Widerspruchsfrist zu laufen. Allerdings wird nach Treu und Glauben in diesem Falle eine Jahresfrist ab dem Zeitpunkt angenommen, ab dem der Nachbar von der Erteilung der Baugenehmigung entweder Kenntnis hatte oder, aufgrund anderer Umstände, beispielsweise erkennbarer Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück, Kenntnis hätte haben müssen.

 

Hat der Nachbar fristgerecht Widerspruch eingelegt, schließt sich – ebenso wie im Falle eines Widerspruches des Bauherren – ein Widerspruchsverfahren an.

 

Wird im Rahmen des Widerspruchsverfahrens der Widerspruch des Nachbarn zurückgewiesen und die erteilte Baugenehmigung nicht aufgehoben, muss der Nachbar - innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zurückweisung des Widerspruches - eine Klage beim Verwaltungsgericht erheben. 

 

 

Da in diesem Falle der Nachbar die Aufhebung eines ihn belastenden Verwaltungsaktes erwirken will, handelt es sich bei der zu erhebenden Klage um eine Anfechtungsklage.

 

Das Bauplanungsrecht/Bauordnungsrecht sowie das sonstige öffentliche Recht berühren und schützen ggfls.. auch Belange des Nachbarn. Der Nachbar kann jedoch nur dann Rechte herleiten, wenn sog.

 

„nachbarschützende bzw. drittschützende Normen“

 

betroffen sind.

 

 Der Nachbar kann aber im Rahmen einer solchen Klage und eines Widerspruchsverfahrens also nicht die Verletzung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend machen, sondern muss geltend machen, dass seine „nachbarschützenden Rechte“ verletzt worden sind. Es genügt also nicht, dass die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist, sondern der Nachbar muss überdies geltend machen, dass er in seinen eigenen nachbarschützenden Rechten verletzt worden ist. Er kann seinen Widerspruch bzw. seine Klage also nicht alleine darauf stützen, dass die angefochtene Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die ausschließlich dem öffentlichen Interesse dienen. Eine insoweit lediglich objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führt zugunsten des Nachbarn nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung. Erst die substantiierte Geltendmachung von verletzten Vorschriften, die zumindest auch seinen Schutz als Nachbar bezwecken (nachbarschützende Vorschriften), begründet eine eigene Rechtsverletzung des Nachbarn.

 

Aus dem Bereich des Bauordnungsrechts kommen hier z.B. in Betracht:

 

Abstandsflächen:

Die Abstandsregelungen in §§ 8 und 9LBauO Rheinland-Pfalz haben grundsätzlich auch nachbarschützenderen Charakter.

 

Brandschutz:

Brandschutzvorschriften werden ebenfalls regelmäßig – jedenfalls soweit es um den vorbeugenden Brandschutz geht – auch als nachbarschützend angesehen.

 

Aus dem Bereich des Bauplanungsrechts kommen hier z.B. in Betracht:

 

Art der baulichen Nutzung:

Die Festsetzungen eines Bebauungsplanes über die Art der baulichen Nutzung hat i.d.R. nachbarschützenderen Charakter.

 

Durch die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung werden nämlich die dadurch Betroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen werden.

 

Der Nachbar hat insofern einen "Gebietserhaltungsanspruch".

 

Beispiel:

Wird ein Baugebiet nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes als „reines Wohngebiet" ausgewiesen, könnte der Nachbar gegen die auf dem Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Gewerbebetriebes Widerspruch einlegen bzw. gegebenenfalls eine Anfechtungsklage erfolgreich erheben.

 

 

 

Maß der baulichen Nutzung:

Demgegenüber soll grundsätzlich das Maß der baulichen Nutzung in der Regel nicht nachbarschützend sein. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die diesbezüglichen Festsetzungen im Bebauungsplan gerade auch aus nachbarschützenderen Gründen erlassen worden sind. Festsetzungen über die Gebäudehöhe, die Zahl der Vollgeschosse und der überbaubaren Grundstücksfläche sind daher in der Regel nicht nachbarschützend.

 

Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung dienen nur ausnahmsweise dem Nachbarschutz, wenn sie ausnahmsweise für benachbarte Grundstück wechselseitige Beschränkungen oder Begünstigungen zur Folge haben.

 

Es ist im Einzelfalle durch Auslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfange die Regelung zum Maß der baulichen Nutzung auch den Nachbarn schützen soll.

 

Sofern durch Auslegung ein solcher Schutz des Nachbarn nicht zu ermitteln ist, ergibt sich bei entsprechenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in der Regel, dass eine nachbarschützende Wirkung nicht beabsichtigt ist.

 

Beispiel:

So bezweckt etwa die Festsetzung der Gebäudehöhe als Höchstgrenze in geneigtem Gelände nicht dem Schutz des Nachbarn bezüglich seines Blickes ins Tal, sofern sich diese Motivation nicht aus den Festsetzungen bzw. den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplanes ergibt.

 

 

 

Neben einer Anfechtungsklage des Nachbarn auf Aufhebung der erteilten Baugenehmigung, kommt ggfls. auch eine Verpflichtungsklage des Nachbarn auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in Betracht.

 

Beispiel:

Hat beispielsweise der Nachbar ein Bauvorhaben begonnen bzw. abgeschlossen, für welches eine Baugenehmigung nicht besteht, kommt ein Anspruch des Nachbarn auf bauordnungsrechtliches Einschreiten der Baugenehmigungsbehörde in Betracht. In einem solchen Falle eines illegal errichteten Bauvorhabens, könnte die Baugenehmigungsbehörde beispielsweise eine Abrissverfügung erlassen. Erlässt die Baugenehmigungsbehörde jedoch – trotz Aufforderung durch den Nachbarn – eine solche Abrissverfügung nicht, könnte gegebenenfalls der Nachbar eine Verpflichtungsklage erheben, um auf diesem Wege die Bauaufsichtsbehörde zu einem entsprechenden Einschreiten zu veranlassen.

 

Eigene zivilrechtliche Ansprüche auf Rückbau hat der Nachbar nämlich gegenüber dem Bauherren nicht. Er kann also den Bauherren nicht selbst vor einem Zivilgericht verklagen auf Abbruch der ohne Baugenehmigung errichteten Baumaßnahmen. Vielmehr muss er öffentlich-rechtlich die Bauaufsichtsbehörde zum entsprechenden Einschreiten veranlassen. Schreitet die Bauaufsichtsbehörde – trotz entsprechender Aufforderung durch den Nachbarn – nicht entsprechend ein, kann vor dem Verwaltungsgericht der Nachbar eine Klage gegen die Bauaufsichtsbehörde auf bauordnungsrechtliches Einschreiten einreichen.

 

Beachte:

Legt der Nachbar gegen die Baugenehmigung des Bauherren Widerspruch ein bzw. erhebt eine Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht, haben der Widerspruch bzw. die Klage keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass die Baugenehmigung des Bauherren durch den Widerspruch des Nachbarn nicht sofort unwirksam wird. Der Bauherr könnte daher zunächst auf der Grundlage der erteilten Baugenehmigung die Baumaßnahme fortsetzen.

 

Dies ist für den Bauherren allerdings mit einem gegebenenfalls erheblichen Risiko verbunden. Setzt der Bauherr nämlich die Baumaßnahme nach Widerspruch des Nachbarn und gegebenenfalls erhobener Anfechtungsklage fort und wird später vom Verwaltungsgericht bzw. der Widerspruchsbehörde die erteilte Baugenehmigung aufgehoben, droht gegebenenfalls eine entsprechende Rückbauverpflichtung.