Vollmacht des Architekten/Ingenieurs:

 

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass kurzfristig – zumeist aufgrund bautechnischer oder gestalterischer Erfordernisse - auf der Baustelle Entscheidungen durch den Architekten/Ingenieur/Bauleiter getroffen werden und deshalb kurzfristig zusätzliche Leistungen zu beauftragen bzw. bestehende Vereinbarungen zu ändern sind. 

Beispiel:

Architekt A stellt auf der Baustelle fest, dass die ausgeschriebenen und rechtswirksam beauftragten Abschlußtüren nicht den Anforderungen an den Brandschutz entsprechen und daher zwingend von F30 auf F90 geändert werden müssen. Daraufhin fordert Architekt A den betroffenen Handwerker H auf geänderte Türen zu liefern und einzubauen. Nachdem Handwerker H diese geänderten Türen geliefert und eingebaut hat, verlangt er von Bauherr B die Vergütung für diese geänderten und deutlich teureren F90-Türen. Bauherr B lehnt jedoch eine Bezahlung der Mehrkosten unter Hinweis darauf ab, dass der Architekt nicht bevollmächtigt gewesen sei, den Vertrag zu ändern und Zusatzaufträge in seinem Namen zu erteilen.


In solchen Fällen stellt sich stets die Frage, inwiefern der Bauherr tatsächlich verpflichtet ist, diese erteilten Zusatzaufträge zu vergüten  bzw. inwiefern der Architekt/Ingenieur/Bauleiter statt dessen selbst verpflichtet ist, die von ihm - möglicherweise vollmachtlos -vorgenommenen Vertragsänderungen oder erteilten Zusatzaufträge zu vergüten. 

 

 

§ 164 BGB:

 

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

 

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

 

 

Zunächst ist davon auszugehen, dass der – nicht besonders bevollmächtigte – Architekt/Ingenieur/Bauleiter allein kraft seiner Funktion keine Vollmacht oder Befugnis besitzt, den Bauherren rechtsgeschäftlich zu vertreten. Er ist daher grundsätzlich nicht bevollmächtigt Verträge im Namen des Bauherrn zu schließen bzw. bereits geschlossene Verträge rechtswirksam zu ändern. 

Hat der Architekt/Ingenieur/Bauleiter dennoch – ohne entsprechende Vollmacht – einen solchen Auftrag bzw. Zusatzauftrag erteilt, so wäre der Bauherr – ohne dessen Genehmigung – daher zumeist nicht verpflichtet, die erbrachten Werkleistungen zu vergüten. 

Vielmehr käme ein Anspruch des Auftragnehmers gegenüber dem vollmachtlos handelnden Architekten/Ingenieur/Bauleiter als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ gem. §§ 177, 179 BGB auf Schadensersatz oder Erfüllung in Betracht. Der Auftragnehmer könnte daher von dem vollmachtlosen Architekten/Ingenieur/Bauleiter die Bezahlung der vollen vereinbarten Vergütung (Erfüllung) bzw. Schadensersatz verlangen. 

 

  

§ 177 BGB:

 

(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.

 

(2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.

 

§ 179 BGB:

 

(1) Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Vertretungsmacht nachweist, dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert.

 

(2) Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, dass er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat.

 

(3) Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war, es sei denn, dass er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat.

War demgegenüber der Architekt/Ingenieur/Bauleiter entsprechend zur Vertretung des Auftraggebers bevollmächtigt, so käme der Vertrag wirksam und unmittelbar zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer zustande und der Auftraggeber wäre zur entsprechenden Vergütung verpflichtet (§§ 164 ff. BGB).

Obwohl der Architekt/Ingenieur/Bauleiter grundsätzlich, wie ausgeführt – ohne besondere Bevollmächtigung - nicht als bevollmächtigt gilt den Bauherren wirksam rechtsgeschäftlich zu vertreten, ist er allerdings für die Bauüberwachung bzw. Baustellenkoordinierung zuständig, so dass er nach der Rechtsprechung bestimmte hierfür erforderliche Veranlassungen wirksam tätigen kann. Hierzu zählen beispielsweise:

 

•    Mängelrügen erheben

•    Mahnungen aussprechen

•    Fristen setzen

•    Kündigungen androhen 

 

Er soll auch bevollmächtigt sein die für die Abwicklung des Bauvorhabens notwendigen Erklärungen des Auftragnehmers entgegenzunehmen (z.B.: Bedenkenanmeldungen (Beachte: Bei Bedenkenanmeldungen genügt allerdings eine Anmeldung der Bedenken gegenüber dem Architekten/Ingenieur/Bauleiter dann nicht, wenn es sich um Bedenken hinsichtlich der eigenen Planung bzw. eigener Anordnungen des Architekten/Ingenieur/Bauleiter handelt und sich dieser den Bedenken verschließt. Dann ist eine unmittelbare Anmeldung der Bedenken gegenüber dem Bauherrn zwingend erforderlich!), Behinderungsanzeigen etc.). 

 

Er soll auch dazu befugt sein, eine technische Abnahme durchzuführen. Demgegenüber nicht bevollmächtigt ist er jedoch, die rechtsgeschäftliche Abnahme zu erklären.

 

Mangels Vollmacht haben Rechnungsprüfungen und Anerkenntnisse durch den Architekten/Ingenieur/Bauleiter grundsätzlich keine bindende Wirkung für den Auftraggeber.

 

Auch wenn der Architekt/Ingenieur/Bauleiter im Rahmen seines Auftrages grundsätzlich Planungsanordnungen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen erteilen darf, so sind diese Planänderungen oder zusätzlichen Leistungen allerdings nur mit Zustimmung bzw. ausdrücklicher Vollmacht des Auftraggebers dann rechtsverbindlich, sofern diese Planungsänderungen „Zusatzkosten“ auslösen.

 

Es gilt der Grundsatz: 

 

„Am Portemonnaie des Bauherrn endet die Vollmacht des Architekten.“

Beispiel:

Architekt A ordnet im Rahmen der Badsanierung an, dass das beauftragte und vereinbarte Waschbecken gegenüber der ursprünglichen Planung um 10 cm nach links versetzt wird, da aufgrund einer vorhandenen Abwasserleitung das Waschbecken an der ursprünglich angedachten Stelle nicht fachgerecht eingebaut werden kann. Hier entstehen keine Zusatzkosten für den Bauherrn, da lediglich die Positionierung des einzubringenden Waschbeckens geändert wird und hierdurch Zusatzkosten nicht anfallen. Der Architekt gilt für solche Planänderungen als befugt und bevollmächtigt. 


Beispiel:

Ordnet Architekt A demgegenüber an, dass anstelle des vereinbarten und geschuldeten Warmwasserspeichers mit 5.000 l Fassungsvolumen (Preis 2.500,00 €) ein größerer Speicher mit 10.000 l geliefert und eingebaut wird (Preis: 4.500,00 €), weil der ursprüngliche Speicher versehentlich zu klein dimensioniert ausgeschrieben wurde, so wäre A für diese Vertragsänderung/zusätzliche Leistung – aufgrund der damit verbundenen Kosten - nicht bevollmächtigt den Bauherrn rechtswirksam zu vertreten. 


Praxistipp:

Ein Architekt/Ingenieur/Bauleiter sollte ohne ausdrückliche – möglichst schriftliche Vollmacht des Bauherrn - Zusatzaufträge oder Vertragsänderungen niemals veranlassen oder beauftragen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Bauherr diese vollmachtlosen Geschäfte des Architekten/Ingenieurs/Bauleiters nachträglich nicht genehmigt und der Architekt/Ingenieur/Bauleiter selbst persönlich die von ihm veranlassten Zusatzleistungen/Vertragsänderungen vergüten muss. Außerdem bestünde sogar die Gefahr, dass ihn der Bauherr im Innenverhältnis für die nicht genehmigten Änderungen schadensersatzpflichtig macht. 

Zu empfehlen ist daher Zusatzaufträge oder Vertragsänderungen lediglich an den Bauherren zu vermitteln und diesen selbst sämtliche Zusatzaufträge und Vertragsänderungen persönlich beauftragen und unterschreiben zu lassen.

Alternativ bestünde auch die Möglichkeit sich als Architekt/Ingenieur/Bauleiter eine ausdrückliche schriftliche Vollmacht erteilten zu lassen, um entsprechend abgesichert zu sein und für Rechtssicherheit zu sorgen.


Praxistipp:

Auch für den Auftragnehmer empfiehlt es sich Aufträge stets nur von dem Aufraggeber unmittelbar persönlich beauftragen zu lassen oder aber sich eine schriftliche Vollmacht des Architekten/Ingenieurs/Bauleiters vorlegen zu lassen. Andernfalls bestünde das Risiko, dass zunächst gerichtlich geklärt werde müsste, inwiefern der handelnde Architekt/Ingenieur/Bauleiter tatsächlich wirksam bevollmächtigt war den Auftraggeber rechtsgeschäftlich zu vertreten oder nicht. Bei der üblichen Dauer von Bauprozessen (dabei wird leider in Jahren, nicht in Monaten gerechnet!), sollte dieser Unsicherheitsfaktor möglichst vermieden werden. Hinzu käme möglicherweise das Insolvenzrisiko in der Person des Archiitekten/Ingenieurs/Bauleiters.